Wenn man sich mit dem Thema weiblicher Orgasmus (hier im Kontext = Orgasmen bei Menschen mit Yoni) näher beschäftigt wird man grundsätzlich auf zwei unterschiedliche Aussagen stoßen.
Aussage 1: Es gibt nur einen Orgasmus, nämlich den klitoralen.
Aussage 2: Es gibt mehr als nur den klitoralen Orgasmus.
Und was stimmt nun?
Kurz und knapp gesagt: Aussage 2 ist richtig! Menschen mit Yoni können mehr als nur einen Orgasmus-Typen erleben. By the way… Männer bzw. Menschen Penis übrigens auch.
Woher kommt dann der weit verbreitete Glaube, dass es nur einen Orgasmus bei Frauen gäbe?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns einmal die Klitoris anschauen:
Schonmal vorne weg: Entgegen vieler Informationen, die uns bis vor wenigen Jahren fälschlicher Weise noch in der Schule beigebracht wurden, besteht die Klitoris nicht nur aus einer kleinen, mehr oder weniger sichtbaren Perle im oberen Teil der Vulva. Diese kleine Perle ist nämlich tatsächlich nur die Spitze vom Eisberg. Das, was man von außen sehen kann ist lediglich die Klitoriseichel. Sie wird durch einen Schaft mit den Klitoris-Schenkeln und den Schwellkörpern verbunden. Die Gesamtheit alledem wird als Klitoris bezeichnet und ist im Gesamten nichts anderes als Erregungsgewebe – das heißt, dass im Grunde alle Teile der Klitoris zum Orgasmus führen/ beitragen können.
Wie auch bei dem Schwellkörper des Penis, schwellen, wie der Name schon sagt, auch die Schwellkörper der Klitoris bei Erregung an. Da die Schwellkörper den Vaginaleingang links und rechts umschließen, bleibt, bei vaginaler Penetration, eine Stimulation der Klitoris nicht aus. Im Grunde spielt sie also auch bei penetrativen Sex eine große Rolle. Aus dieser Perspektive heraus sagen viele Menschen, aka Sexual-Therapeuten und Coaches, dass alle Orgasmen, bei Menschen mit Yoni, klitorale Orgasmen sind.
Warum diese Aussage trotzdem nicht vollständig richtig ist erkläre ich euch jetzt:
Das Erregungsgewebe der Klitoris ist nicht das einzige Orgasmus-fähige Gewebe im Körper einer Frau. Es gibt sogar mindestens 3 weitere im weiblichen Körper.
Der G-Punkt
Der G-Punkt ist in der heutigen Zeit sehr bekannt und es gibt einige Mythen um seine Existenz. Tatsache ist: Es gibt ihn wirklich. Allerdings handelt es sich weniger um einen Punkt, als viel mehr um eine G-Fläche, die durchaus schon mal einen Durchmesser von einigen cm haben kann. Auch die G-Fläche ist ein erregbares Gewebe. Es handelt es sich um Schwammgewebe, dass sich bei Erregung mit Flüssigkeit füllen und dadurch anschwellen kann. Und bei entsprechender Stimulation kann es dabei auch zu einem Orgasmus kommen.
Übrigens: Beim squirten (aka bei der weiblichen Ejakulation) handelt es sich genau um diese Flüssigkeit, die bei einem Orgasmus über die Drüsen am Rand des Schwammgewebes abgegeben werden kann (Mit Urin hat das also gar nix zu tun… wie man fälschlicherweise lange Zeit angenommen hat).
Dennoch gilt, bei Stimulation des G-Punktes wird durch die Penetration meistens auch die Klitoris mit stimuliert. Ein Orgasmus kann demnach durchaus auch eine Mischform aus beidem sein.
Noch ein „Übrigens“: Um die G-Fläche zu finden genügt es nur wenige cm tief in die Vagina einzudringen, denn sie befindet sich sehr nah am Eingang an der oberen Vaginal-Wand, also Richtung Bauch sozusagen.
Wenn du gerade keine Vagina zur Verfügung hast: Berühre mal mit deinem Zeigefinger den rauen Bereich deines Gaumens, direkt hinter deinen Frontzähnen. Das Gewebe von Mundschleimhaut und Vagina sind sich sehr ähnlich und sogar die Oberflächenbeschaffenheit, sowie die Tiefe und die Position des Gaumens sind vergleichbar mit dem G-Punkt. Also eigentlich gar nicht so schwer zu finden 😉
Der „A-Punkt“
Der sogenannte A-Punkt ist nicht ganz so weit verbreitet, wie der G-Punkt, aber es gibt ihn trotzdem. Beim A-Punkt handelt sich ganz einfach um den Muttermund, also die Zervix – Das hinterste Ende der Vagina. Die Zervix sieht in etwa so aus wie ein kleiner Donut und hat je nach Zyklusphase eine unterschiedliche Position und Beschaffenheit. Und auch sie ist ein Orgasmus-Fähiges Gewebe.
Für viele Frauen ist dieser Fakt sehr schwer vorstellbar, weil der Muttermund oft als sehr empfindlich, taub oder sogar schmerzhaft empfunden wird. Der Grund dafür ist häufig ein schlechter Umgang mit ihr. Unsachgemäße, grobe medizinische Untersuchungen, zu schnelle oder zu grobe Penetration sorgen dafür, dass das Gewebe verhärtet bzw. verkrampft und sehr (schmerz)empfindlich oder ggf. auch taub wird.
Wenn man sich dieser Sache jedoch annimmt und die damit verbundenen Blockaden und Traumata (vor allem auf seelisch-emotionaler Ebene) auflöst, kann die Zervix ein sehr „orgasmisches“ Organ werden. Hilfreich kann dabei zum Beispiel die Verwendung eines Yoni-Eis sein.
Die 4. Möglichkeit, um einen Orgasmus zu erreichen ist, ähnlich wie auch bei Männern, über eine Art Prostata-Gewebe. Also auch, wenn die Prostata eigentlich nur zur männlichen Anatomie dazugehört, besitzen auch Frauen ein vergleichbares Gewebe, was vor allem durch anale Stimulation ebenfalls zu Orgasmen führen kann.
Energie-Orgasmen
Energie-Orgasmen sind vor allem im spirituellen und tantrischen Bereich einigen Menschen ein Begriff. Darunter versteht man eine Form der Erregung, bei der es ohne körperliche Stimulation (also theoretisch auch ohne Berührung) zu wellenartigen Ganzkörperorgasmen kommen kann.
Also….wer weiß, was es noch für Möglichkeiten gibt?
Wie unterscheiden sich die unterschiedlichen Formen nun voneinander?
Kein Orgasmus ist wie der andere – so viel steht fest. Jeder Orgasmus-Typ unterscheidet sich durch Intensität, Dauer und Ablauf voneinander. Der Grund dafür liegt in unserer Neurophysiologie.
Der Klitoris-Nerv
Die Klitoris ist über den sogenannten Nervus pudendus mit unserem Gehirn verbunden.
Das besondere bei diesem Organsmus-Typen ist, dass er relativ schnell kommt, relativ kurzweilig ist und rasch wieder abflacht, gefolgt von einem Gefühl von „Danke, das reicht jetzt auch erstmal wieder.“
Der Nervus pudendus ist übrigens auch der Nerv, der im männlichen Körper für den Orgasmus zuständig ist. Daher lässt sich der klitorale Orgasmus am ehesten mit dem eines Mannes vergleichen… aber auch nur fast
Die Vaginal-Nerven
Innerhalb der Vagina (also am G- und A-Punkt) spielt der Nervus pudendus keine weitere Rolle. Der G-Punkt wird über den Becken-Nerv mit dem Gehirn vernetzt (genauer will ich auf diesen Nerv nicht eingehen – das ist alles extrem komplex). Das hat zur Folge, dass sich ein G-Punkt Orgasmus völlig anders anfühlt, als ein klitoraler. Beim G-Punkt Orgasmus steigt die Erregung ganz langsam und flach an und erreicht mit dem Höhepunkt ein Erregungs-Plateau. Er ist dadurch deutlich länger und fühlt sich weniger (mir fällt kein besseres Wort ein) explosiv an… Bei dieser Orgasmus-Form ist übrigens die weibliche Ejakulation am „einfachsten“, weil die Erregungs-Plateaus vergleichsweise lang anhalten und auf jedes Plateau eine weitere Erregungssteigerung folgen kann – Multiple Orgasmen sind hier also im Bereich des Möglichen. Am Ende des Orgasmus flacht die Erregungskurve übrigens nur langsam wieder ab, was das Potential für einen erneuten Orgasmus steigert.
Der A-Punkt, aka die Zervix, ist wiederrum über den Vagus-Nerv mit dem Gehirn verbunden. A-Punkt Orgasmen fühlen sich daher eher wellenartig und „entspannter“ an.
Und genau deswegen, gibt es für mich nicht DEN EINEN klitoralen Orgasmus, sondern das Spektrum der Möglichkeiten einer Frau ist auch hier wieder völlig bunt, vielfältig und wahnsinnig spannend.
Übrigens: Jeder Mensch ist anders. Nur, weil sich bei dir also etwas anderes anfühlt oder anders funktioniert heißt das nicht, dass mit dir etwas nicht stimmt! Die Informationen über subjektive Empfindungen, die ich mit euch geteilt habe sind lediglich „Durchschnitts-Erfahrungswerte“ von Frauen, die ihre Erfahrungen geteilt haben. Natürlich hat jeder Mensch eine andere Wahrnehmung.
Und noch etwas: Wenn dein Sexual-Therapeut oder Coach des Vertrauens eine andere Erklärung oder Ansicht zu dem Thema weibliche Orgasmus-Anatomie hat, dann schieb ihn nicht gleich ab. Jede anatomisch korrekte Information der Welt wird uns nicht bei unseren Problemen und Herausforderungen helfen. Was am Ende zählt ist die Intension und die innere Haltung deines Coaches oder Therapeuten. Versteht er/sie dich? Fühlst du dich sicher? Vertraust du ihm/ihr? Ist er oder sie ernsthaft an deinem Wohlergehen und an deinen Prozessen interessiert? Dann GO FOR IT. Wir sind eben Coaches, keine Ärzte, und das ist auch gut so
Wie sieht es bei euch aus? Wusstet ihr, dass es mehrere Orgasmen gibt? Wusstet ihr wo sich der G-Punkt befindet und dass es einen A-Punkt gibt? Wusstet ihr, wie eine Klitoris wirklich aussieht? Schreibts mir gern mal in die Kommentare.
Alles Liebe für euch!
Eure Anika
Quellen:
„The Science of Orgasm“ – Barry R. Komisaruk (neurophysiologische Zusammenhänge)
„Frauenkörper neu gesehen“ – Dr. Laura Méritts
Mein persönlicher Sexual-Coach des Vertrauens: Jenny Lukas, Gründerin von Hallo Yoni, Insta: @hallo_yoni